Die Gefangene von Grebs

Zwischen Leussow und Menkendorf, nahe an der Rögnitz, liegt, von Wiesen eingeschlossen, der alte Burgwall der slawischen Smeldinger, ein hoher, kreisförmiger Erdwall, der auf der Westseite eine Einfahrt hat. Hier hauste vor vielen, vielen Jahren ein Räuber, der nicht nur das Geld und Gut der Bauern der ganzen Umgebung bedrohte, sondern zuletzt auch ein Mädchen aus Grebs gewaltsam entführte.

Der Mann war ein roher und gewalttätiger Mensch, wegen seiner Stärke und Verschlagenheit überall gefürchtet. Doch niemand wußte, wo sich der Räuber versteckt hielt. Sieben Jahre behielt der böse Mann das arme Mädchen bei sich und bekam jedes Jahr mit ihr ein Kind, dem er aber gleich nach der Geburt den Hals abschnitt. Da halfen all kein Weh und Ach und keine bitteren Tränen der Grebserin. Den abgeschnittenen Schädel warf der schreckliche Räuber in ein Ameisennest, holte ihn nach wenigen Tagen wieder heraus, und so prangten an seinem Gürtel sieben kleine Schädelehen,womit er auch seine Feinde abzuschrecken versuchte. Um sich aus diesem qualvollen Leben zu befreien, verbarg die Frau ihre Sehnsucht nach dem Heimatdorf und nach Freiheit und stellte sich ganz zufrieden. Wenn der Burgwallräuber von einem Beutezug aus den Dörfern heimkehrte, machte er ihr regelmäßig ein kostbares Geschenk. Doch nichts konnte sie über ihre Traurigkeit hinwegtrösten.

Einst bat sie ihren Mann, den Eldenaer Herbstmarkt besuchen zu dürfen. Der Arglistige gestattete es, sie mußte aber schwören, wiederzukommen und seinen Aufenthalt nicht zu verraten. Außerdem schüchterte er die ängstliche Frau ein und drohte, sonst grausam Rache nehmen zu wollen. Da versprach sie alles, zog los und machte sich auf den Weg nach Eldena. Hier traf sie ihre Bekannten und Verwandten, die sie längst tot geglaubt hatten und nun mit Fragen in sie drangen. Doch sie schüttelte immer nur den Kopf und verweigerte jede Auskunft, da sie geschworen hatte. Auch saß ihr die Angst vor dem Unhold im Nacken. Auf dem Markt kaufte die Grebserin allerlei Sachen, die sie gebrauchen konnte,aber auch einen Beutel mit Erbsen. Auf dem Rückweg streute sie diese auf dem Wege, den sie zum Burgwall nahm, aus. Ihre Verwandten folgten ihr jedoch heimlich von ferne. Als sie in die Nähe des Räubernestes kam, erkannte sie an den Spuren des Pferdes, die nach außen gingen, daß der Räuber ausgeritten sei. Er hatte, um Verfolger zu täuschen, seinem Pferde die Hufeisen verkehrt aufgeschlagen. Jetzt kehrte das Mädchen zu ihren Verwandten zurück und beratschlagte mit ihnen. Jeden Mittag nach dem Essen mußte sie sich auf des Mannes Schoß setzen und sein Haar streichen, bis er eingeschlafen war. Sie verabredeten nun, sie solle, wenn er eingeschlafen sei, ein langes Seil um seinen Hals legen, das wollten die Draußenstehenden anziehen und ihn so erwürgen. Am anderen Tag schlichen die Helfer unbemerkt wieder hinzu, und alles wurde in verabredeter Weise ausgeführt. So erhielt der Unhold seine Strafe, das Mädchen kehrte nach Grebs zurück. Die vorgefundenen Schätze teilten sich die Dorfbewohner.

Nach Hans Ulrich Thee, Dorfchronik Grebs 1985